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Sam's Provence : ANTIBES und Umgebung
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Sam's Provence :  ANTIBES und Umgebung
Sam's Provence : ANTIBES und Umgebung
17 avril 2023

Antibes - Paoletta Bonaparte, die Feigendiebin

Fast so, als sollte dessen Existenz verschwiegen werden, schlummert versteckt und geduckt hinter Wohnblocks und einer Kirche neueren Datums an der Route de Grasse eines der ältesten Gebäude der Stadt Antibes, schon Anfang des 11. Jahrhunderts urkundlich erwähnt. Es ist ein provenzalisches Schloss, das mit niederen Rundtürmen an den vier Ecken des gedrungenen Gebäudekerns, einer verwitterten Fassade und den dunkel verschlossenen Fenstern mit länglichen Jalousieläden recht gespenstig wirkt. Der Name Château Salé stammt aus dem 17.Jahrhundert und geht vermutlich auf den Salzhandel zurück. Es gehörte einst einem reichen Stoff- und Kurzwarenhändler namens Augustin Serrat, ging dann durch Einheirat an die noble Familie Villeneuve-Tourettes-Vence. Als es in den Revolutionswirren in die Hände des neuen Besitzers Augustin Baliste kam, hatte der gute Mann sicher wenig Ahnung von der historischen Ehrwürdigkeit dieser alten Mauern.

So blieb bis heute im Gedächtnis der Einheimischen nur folgende, eher heitere Geschichte über die Familie von Napoléon Bonaparte in Erinnerung. Diese betrifft eigentlich nicht den berühmtesten aller Korsen, sondern dessen Lieblingsschwester Paoletta, die sich erst Jahre später, als sie sich in Paris Pauline nennen ließ, eine gewisse Prominenz verschaffte, ohne jemals politische Bedeutung erlangt oder ein nennenswertes Herrschaftsgebiet zugesprochen bekommen zu haben. Ihr Ruf war ein ganz anderer, nicht immer der beste, und glaubt man den Niederschriften ihrer Zeitzeugen – woran nicht zu zweifeln ist – war sie eine skandalbeladene, nymphomanisch veranlagte Frau. Doch wirklich geliebt hat sie nur einen : ihren Bruder. Und diese Tatsache war damals schon in Antibes offensichtlich.

Das kam folgendermaßen: Nachdem der "kleine Korse" mit seinen republikanischen Truppen die Stadt Toulon von den Engländern befreit hatte, erhielt er als Belohnung eine Beförderung zum Brigadegeneral sowie eine nicht unerhebliche Geldsumme. Damit konnte er im März 1794 für seine Mutter und einige seiner Geschwister das stattliche Château Salé von Monsieur Baliste mieten, dem – wie gesagt - das Schloss und die angrenzenden Grundstücke seit kurzem gehörten. Schon einige Zeit zuvor war Napoléon in militärischer Mission in Antibes und ließ dabei unter anderem den Festungsturm Tour du Graillon instand setzen. Weil seine Lieblingsschwester Paoletta in Marseille eine Liebschaft mit dem 20 Jahre älteren Stanislas Freron einging, kam das Napoléon nur gelegen. So ein Kerl wie Freron, der während der Jakobinerherrschaft schreckliche Hinrichtungswellen über Marseille ergehen ließ, mit einer Schauspielerin gar schon in wilder Ehe lebte und Syphilis hatte, passte einfach nicht in die Familie Bonaparte. Dessen Heiratsantrag an Paoletta lehnte ihr Bruder Napoleon brüsk ab. Ihm erschien der familiäre Umzug nach Antibes wie eine erlösende Rettung.

Doch sollte ihm das Glück hier nicht lange gewogen sein, denn schon nach dem Fall Robespierres wurde er am 27. Juli 1794 verhaftet und im Fort Carré inhaftiert. Für seine Familienangehörigen war das Leben fortan nicht leicht. Im Wasser des Laval-Baches musste die Mutter gar eigenhändig Wäsche waschen. Und das Château lag doch vom Markt und dem Zentrum so weit entfernt, dass es fast ländlich wirkte, zumal auf den umliegenden Höhen Hirten ihre Herden weiden ließen, die Hänge mit Obst- und Olivenbäumen bestanden waren und auf den leichter zugänglichen Parzellen Gemüse angebaut wurde.

01PaulineBonaparte

 

Besonders angetan hatte es Paoletta der schattige Feigenbaum am Nachbargrundstück vor dem Château. Es war ein stattliches Exemplar, voll besonnt an einer trockenen Stelle des Gartens, doch von angrenzenden Anhöhen geschützt, so dass niemals Fröste, so selten sie auch hier an der Mittelmeerküste vorkommen mochten, dem Baum in seiner Fruchtbarkeit schmälern hätten können. Sie konnte es nicht lassen sich unter dessen ausladenden Schattendach zu bewegen, tänzelnd eine Hand um die Taille des Baumstammes. Dabei vergaß sie ihre erste Liebe aus Marseille, dachte sie doch nur noch an ihren armen Bruder Napoleon, der im Gefängnis saß. Und nichts wünschte sie mehr, als dass er endlich wieder frei käme. Als sie dann am Morgen des 24. August 1794 erfuhr, dass ihr Bruder tatsächlich aus dem Kerker entlassen werde, ließ sie ihrer Freude singend und springend freien Lauf. Und weil es gerade die Zeit war, da die ersten Feigen reif wurden, wollte sie ihm bei seiner Ankunft eine Schale voller Früchte schenken. Sie schlich also in den Nachbargarten und fragte nicht weiter, wem nun dieser Baum gehörte, sondern fing einfach an, von den Feigen einen stattlichen Vorrat zu pflücken. Sie stieg sogar auf einen der grob verästelten, grauen Zweige, der stark und weit ausladend zahlreiche dieser fleischigen Früchte trug. Sie füllte ihren mitgebrachten Korb und danach auch die sackartige Tasche ihres umgebundenen Leinenschurzes. Und immer wieder öffnete sie eine der Früchte mit einem schnellen Biss, schob dann die Frucht hastig in den Mund. Denn sie liebte es, wenn dabei etwas breiiges Fruchtfleisch auf ihren Lippen verblieb und sie diesen süßlichen Rest dann mit der Zunge abschlecken konnte. Selbst der etwas bittere Beigeschmack bisweilen daran haftender Ameisen störte sie nicht.

Chateau_Salé_002

ChateauSalealt

 

Doch Paoletta blieb dabei nicht unbeobachtet, denn ein junger Bursche, der unweit des Gartens Ziegen hütete, sah sie und lief gleich zu dem Besitzer: "Monsieur Balsite, Monsieur Baliste ! In deinem Garten ist ein Mädchen und stiehlt Feigen!"

Figues

 

"Oh dieses Diebesgesindel!", schrie der Mann aus, nahm seinen Stock und rannte hinaus.

Doch Paoletta hörte und sah rechtzeitig den Hausherrn heranstürmen, sprang wendig vom Baum und machte sich blitzschnell aus dem Staub. Er rief ihr noch hinterher, dass sie das noch bitter büssen werde. Er ließ aber letztlich die Angelegenheit auf sich beruhen, weil auch er erfahren hatte, dass Napoléon freigelassen würde. Denn inzwischen war allseits bekannt, dass der kleine Korse, Karriere machen würde, auch wenn noch keiner ahnte, dass er sogar Geschichte schreiben würde, weil er schon bald mit dem Italienheer zum Staatsstreich nach Paris ziehen sollte.

BonaparteCheval

 

Ob und wie sich Napoleon nun über die Feigen gefreut hatte, ist nicht überliefert. Jedenfalls war und blieb Paoletta seine Lieblingsschwester. Als einziges Geschwister folgte sie ihrem Bruder 1814 ins Exil nach Elba. Als Napoleon von Elba aufs französische Festland am 1.März 1815 zurückkehrte, schenkte sie ihm ein Brillantkollier mit den Worten: "Napoleon wird es brauchen können, wenn ihn sein Glück verlassen sollte." Sie sah ihren Bruder nie wieder. Doch heißt es, dass sie ihn auch nach Sankt Helena folgen wollte. Als sie von seinem Tod erfuhr, brach sie zusammen. In einem Brief schrieb sie: "Ich habe den Kaiser nicht als Souverän geliebt, nein, ich habe ihn als meinen Bruder geliebt. Und ich werde ihm bis zu meinem Tode treu bleiben."

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